Totentanz Aloys Ohlmann
Laudatio: Hermann Gätje

Beerdigungsansprache Aloys Ohlmann am 20.09.2013
durch Pfr. Stephan Sander Ev. Kirchengemeinde Dülken.

Jesus Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium. 2.Tim 1,10b


Liebe Trauergemeinde,

Ich weiß nicht mehr genau wann es war. Ich war auf der Suche nach weiteren Totentänzen. Ich hatte geraden den von Grieshaber erworben. Und ich hatte in meiner Sammlung ein kleines 15x15 Heft mit einem Totentanz von Aloys Ohlmann. Zudem besaß ich schon ein Blatt aus diesem Totentanz: „Der Tod und das Mädchen“. Ich wollte über den Künstler mehr erfahren. Also begann ich, im Internet zu suchen. Es gab nicht viel. Da wurde der Mailart Künstler Aloys Ohlmann erwähnt. Oder der Mitgründer der Gruppe Sieben, oder Galerie im Park. Dort rief ich an und bekam eine Telefonnummer. Und von da an kam es zu einem regen Gedankenaustausch mit dem nun Verstorbenen. Ich freute mich über seine fundierten Bibelkenntnisse und seine nicht alltäglichen Gedanken zu Kirche und Gesellschaft. Da dachte einer auf anderen Spuren. Da waren Analysen, die neu waren. Da gab es Einblicke in die Welt der Kunst, die mich bereicherten. Und wenn man mit einem Menschen sehr viel auch über den Tod redet, dann wird das Gespräch schnell auch intim. Es gibt nicht viele Menschen, mit denen ich völlig frei und ungezwungen über den Tod reden konnte. Und scheinbar ging es Aloys Ohlmann mit mir ebenso.

Und dann bekam ich eine Mappe des Totentanzes von ihm geschickt. Und nun hatte ich alle Bilder dieses seinen zentralen Werkes um mich herum. Bei mir entstand bald der Wunsch, die Bilder von Aloys Ohlmann mit anderen zu teilen. Am Tag des Friedhofs, den es einmal im Jahr bei uns gibt, wollte ich den Totentanz ausstellen. Als Ort der Ausstellung diente ein alter Obduktionsraum, den es auf jedem Friedhof gibt.

Viele Menschen kamen. Sie kamen zögernd. Da war dieser kalte Raum, mit seinen Kacheln und diesem Edelstahl Seziertisch. Und an den Wänden die Bilder. Und plötzlich Kamen wir über die Bilder ins Gespräch. Und meistens war es das Bild „Der Tod und das Kind“, dass wir näher in Augenschein nahmen. Und plötzlich war auch hier wieder die Stimmung der Intimität in diesem so kühlen und nüchternen Raum. Also lassen wir uns heute am Sarg von Aloys Ohlmann noch einmal auf dieses Bild aus dem Totentanz ein: „Der Tod und das Kind“.

Das ist für mich das das frechste Bild aus Aloys Ohlmanns Totentanz. Und gerade dieses Bild soll, nach dem Willen von ihnen, liebe Frau Ohlmann, ja auch auf die Grabplatte ihres verstorbenen Mannes kommen. Insofern lohnt heute noch einmal ein näherer Blick auf diese eindrückliche Serigrafie.

Lassen wir uns einen Moment Zeit, die schwarzen und weißen Flächen auf uns wirken zu lassen. Da sind runde und eckige Formen. … Versuchen wir nun, diese Formen zu deuten. Ich kann Schienen erahnen. Sie sind zu einem Oval geformt. Und das Oval hat, wie der Kreis, keinen Anfang und kein Ende und steht damit als Symbol für die Unendlichkeit.

Auf den Schienen fährt ein Zug. Er ist abgebildet in der Draufsicht. Der Zug besteht aus einer Lock und sieben Wagen. Sieben: Im jüdischen die Zahl der Vollkommenheit. Die Zahl für die Tage der Woche. Für Aloys Ohlmann ist der Zug ein Symbol für den „Zug des Lebens“, in den wir einsteigen können oder müssen. Aber leider hat das Kind diesen Einstieg verpasst. Es ist auch in der Draufsicht abgebildet und sitzt am oberen Bildrand mit nacktem Po auf den Gleisen, auf denen der Zug des Lebens seine Kreise zieht. Das Kind ist nach vorne gebeugt, und scheint mit beiden Händen zu spielen, wie es Kinder ganz häufig im Sandkasten tun. Allerdings wird dieses Spiel nicht lange währen. Denn der Zug des Lebens ist unter vollem Dampf. Der Rauch des Zuges bestimmt den linken  oberen Bildrand. Und wenn es dann zum absehbaren Unglück kommt, wird sich dieses junge Leben scheinbar verflüchtigen wie es Rauch eben tut. Ganz wichtig ist nun noch die Mitte des Bildes. Vor dem Schoß des Kindes liegt ein Totenschädel, dem sich ein Skelett anschließt. Das Kind spielt mit den Augenhöhlen des Knochenmannes.

Und das ist für mich die entscheidende Bildaussage: Das Spiel mit dem Tod. Das, was kein Mensch tun darf, wird hier in Szene gesetzt. Für manch ist das Blasphemie. Und es ist durchaus richtig, wir erlauben uns in einer bürgerlichen Gesellschaft nicht das Spiel mit dem Tod. Es ist im algemeinen geächtet, wird allerdings doch von fast allen ständig praktiziert.

Ein Beispiel: Ich selber halte es für Wahnsinn Motorrad zu fahren. Wie viele Motorradfahrer und -Fahrerinnen habe ich schon beerdigen müssen.

Und, ich sage Euch, es ist so leicht, sich über Motorradfahren moralisch zu erheben. Dabei fahre ich selber Ski, was statistisch gesehen genauso gefährlich ist wie Motorradfahren.

Wie viele Menschen rauchen, obwohl auf der Packung steht Rauchen ist tötlich.

Ja, es gibt Menschen, die spielen mit ihrer Gesundheit. Sie schlagen über die Stränge bei Essen und Trinken, gehen bei der Arbeit über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Und immer ist da jemand, der sagen kann: Ich habe es dir gesagt! Ich habe dich gewarnt! Du bist es selber Schuld.

Allerdings sind all die genannten Beispiele eigentlich gar kein Spiel mit dem Tod, sondern viel mehr ein Spiel mit dem Leben, oder vielleicht noch besser gesagt, ein Verspielen des Lebens.

Und dann müssen wir eben auch als die größten Moralapostel eingestehen: Selbst bei dem enthaltsamsten und vernünftigsten und gesundheitsbewusstesten Menschen bleibt am Ende ja auch die ernüchternde Tatsache des Todes. Wie war das doch noch: Alkohol und Nikotin rafft die halbe Menschheit hin, doch nach gutem alten Brauch stirbt die andere Hälfte auch.

Im Bild: „Der Tod und das Kind“ beeindruckt mich daher: Hier spielt das Kind wirklich mit dem Tod. Und das ist etwas ganz anderes, als mit seinem Leben zu spielen. Denn das Spiel mit dem Tod ist wahrscheinlich der einzige angemessene Umgang mit dem Tod. Und diese Erkenntnis hat Aloys Ohlmann uns als Botschaft mit seinem Bild deutlich vor Augen gehalten.

Wir nehmen den Tod immer so toternst.
Und, in der Tat, wenn wir bedenken, wie plötzlich der Tod über Aloys Ohlmann kam, dann kann einem ja schon Angst und Bange werden.
Und wenn wir die Leere spüren, die der Tod hinterläßt und wir die Ohnmacht erfähen, die der Tod uns zumutet, dann kann einem schon der Gedanke kommen, der Tod habe das letzte Wort.
Oder da ist die Unwissenheit, wie es weiter gehen soll. Da ist die Sorge um das künstlerische Vermächtnis.
Da sind nun durch den Tod veranlasste verlorene Freundschaften. Oder eine plötzlich zerstörte Ehe, die Maria und Aloys Ohlmann in Liebe und Achtung seit 1964 miteinander geführt haben und die nun am 16.09.2013 ein jähes Ende gefunden hat. Da kann es einem aus Wut, aus Enttäuschung oder auch Verzweiflung schon passieren, dass wir dem Tod die letzte Ehre geben. Aber wollen wir das? Wollen wir das wirklich. Dem Tod die letzte Ehre geben, der sie nicht verdient?
 
Ehre gebührt vielmehr Jesus, der den Tod besiegt hat. So sagt es zumindest das Wort Gottes zur Woche:
Jesus Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium. 2.Tim 1,10b

Nach dem Willen Gottes sind wir das: Unvergängliche Wesen Gottes. In der Taufe wurden wir zu Gottes Kindern. Und als Kinder Gottes, wurden wir zu Erben seines Reiches. Nicht weil wir so perfekt und heilig gelebt hätten. Nicht weil alles, was wir taten, richtig war. Vielmehr weil wir geheiligt durch Jesus, gereinigt, gerecht und gut vor Gott stehen. Deshalb dürfen wir sicher sein, dass Aloys Ohlmann vereint mit seinen Eltern und ebenso mit all den Freunden, die er zuvor an den Tod verloren hat, bei diesem unendlich schönen Hochzeitsmal sitzt und diskutiert und das Leben, das nun das Ewige ist, genießt. Ein Leben in unendlicher Freiheit, ohne Bürokratie und verlogene Moral, oder gesellschaftlichen Zwängen, oder auch theologischen Verurteilungen, über die sich Aloys Ohlmann so aufregen musste. In Gottes Reich sind wir frei! Sogar frei von allem Tod. Da gibt es für uns nur Leben, ewiges, unverbrauchtes, freies Leben. Seien wir gewiss: Der Tod ist nur ein Spiel. Ein makaberes, ein verlustreiches, ein trauriges Spiel vielleicht. Aber eben nur ein Zeichenspiel. Der Zug des Lebens, selbst wenn er uns überfahren sollte, der Zug des Ewigen Lebens ist dennoch unser Ziel und unsere Heimat. Denn der Grund unserer Existenz ist das, was keinen Anfang und kein Ende hat: Ewigkeit. Wir gehen nicht auf in einem sinnlosen Rauch. Wir gehen ein in Gottes Hauch, in Gottes Wind und Atem. Wir gehen ein in den Geist Gottes.
Denn: Jesus Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium. 2.Tim 1,10b
Das soll am Sarg unseres Ehemanns, Verwandten, Kollegen  Nachbarn und Freundes unser Trost sein. Amen
Impressum
Biographie
aktuell
Überblick
Links
Beerdigung